Der Strukturwandel ist ein Lebenswandel

Und was machen wir in Anhalt-Bitterfeld daraus?

Was das Strukturstärkungsgesetz formal für Möglichkeiten eröffnet, habe ich hier erklärt. Und was machen wir in Anhalt-Bitterfeld daraus?

Etwas bewegen, einen Unterschied machen, Spuren hinterlassen – das dürften sich viele junge Menschen persönlich und beruflich wünschen. Strukturwandel verspricht genau das: gestaltbare Veränderung, immer dem Ideal der Nachhaltigkeit folgend. Für mich war klar: Dabei mitzumachen, noch dazu in der Heimat, das ist der perfekte Job!

Vom hippen Großraumbüro in Leipzig zur Wirtschaftsförderung in Wolfen. Aus der Forschung in die Praxis. Mir dämmerte schnell, dass das im „echten Leben“ nichts wird, in Korklatschen, Öko-Klamotten und mit Wanderrucksack im ÖPNV durch den Landkreis zu düsen und die Welt zu verbessern. Oder doch? Schließlich geht es darum, die Sachen anders anzugehen als bisher. Wie so oft führt der Königsweg durch die Mitte – persönlich und was den Strukturwandel angeht.

Authentisch von den Wurzeln bis in die Zukunft

Anpassungsfähigkeit haben auch die Menschen und die Unternehmen in Anhalt-Bitterfeld in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Nun stehen sie wieder vor einer umwälzenden Veränderung: Der Strukturwandel hin zur Nachhaltigkeit soll eine treibhausgasneutrale Wirtschaft und Gesellschaft hervorbringen. Darin stecken enorme Chancen für die regionale Entwicklung und Zukunftsfähigkeit. Vielen Menschen bereitet Veränderung aber auch Sorge. Schließlich sind Anhalt-Bitterfeld in den vergangenen Jahren Strukturbrüche widerfahren, die wirtschaftlich, und für viele auch persönlich, einschneidend waren. Zudem stellt uns die Umsetzung der Transformation vor technische, organisatorische und gesellschaftliche Herausforderungen, wobei nicht zuletzt aktuell internationale politische Entwicklungen neue Aspekte und Unsicherheiten ins Spiel bringen.

Wir brauchen also eine Strategie, wie wir das, was wir haben, und das, was wir können, mit neuen Ansätzen verbinden, um es gewinnbringend einzusetzen. Soweit die Theorie. Denn das ist die eine, die erwartungsvolle Seite. Die andere Seite des Strukturwandels ist, dass es sich bei den betroffenen Regionen um strukturschwache Gebiete handelt. Wir müssen in manchen Bereichen ganz banale Defizite beheben, pragmatisch Lösungen für einen funktionierenden Alltag finden. Es muss laufen, mit oder ohne Kohleausstieg.

Anpacken mit Plan

Die wissensbasierte Gestaltung und Entwicklung der Region wird im Rahmen einer Reihe von Studien, die durch die Innovationsregion Mitteldeutschland beauftragt wurden, vorbereitet. Diese und weitere Erhebungen sind Grundlage für die Identifikation von Handlungsfeldern, von denen für Anhalt-Bitterfeld Potenziale oder Bedarfe ausgehen, die mit kommunalen Projekten bedient werden können. Als Konsequenz dieser Analysen haben wir im Jahr 2021 gemeinsam mit dem Amt für Wirtschaftsentwicklung, Marketing und ÖPNV des Landkreises Anhalt-Bitterfeld eine Strategie entwickelt. Unser Anliegen ist es, die verfügbaren Gelder so einzusetzen, dass durch diese punktuellen Maßnahmen eine Eigenentwicklung angestoßen wird. Besondere Notwendigkeiten und Chancen haben wir in folgenden Bereichen festgestellt:

  • attraktiver Wohnstandort: Die wohl einschneidendste Entwicklung unserer Region ist der demografische Wandel. Der massive Bevölkerungsrückgang seit den 1990ern wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Es gilt der sogenannten Überalterung der Gesellschaft und ihren wirtschaftlichen Folgen entgegenzuwirken. Damit das gelingt, soll den Menschen in Anhalt-Bitterfeld ein gutes und nachhaltiges Leben möglich sein. Ein ansprechendes Wohnumfeld mit nachhaltiger Versorgung und Anbindung sind Grundlagen für die Umkehr der negativen Bevölkerungsentwicklung.
  • Bildung: Persönliche Entwicklungsmöglichkeiten und wirtschaftlicher Erfolg hängen maßgeblich von Bildungschancen ab. In Anhalt-Bitterfeld sollen die Menschen wohnortnah gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten vorfinden, die ihnen ansprechende berufliche Perspektiven eröffnen.
  • Forschung und Entwicklung: Maschinenbau, Chemie, Nahrungsmittelindustrie. Anhalt-Bitterfeld ist durch verschiedene Branchen geprägt. Hier soll Wissen in regionalen „Traditionsdisziplinen“ und neuen Themenbereichen, wie z. B. Batterieforschung, entstehen, vermittelt und angewandt werden.
  • Infrastruktur: Die „Energiewende“ verlangt nach neuen Technologien, Stoffen und Medien. Unsere Wirtschaft und Gesellschaft sollen die notwendige Infrastruktur für eine nachhaltige Funktionsweise vorfinden. Diese Umstellung ist aktuell so dringlich wie nie zur Erreichung der Klimaziele und zum Erhalt der Versorgungssicherheit.

Das Papier formuliert die Ziele und konkrete Ansätze der Gestaltung des Strukturwandels in Anhalt-Bitterfeld. Da es sich dabei um eine Entwicklung handelt, wird die Strategie entsprechend dem Wissensstand und Projektfortschritt angepasst werden. Prozessual ist sie bei der Bewertung der Förderwürdigkeit von Projekten eingebunden. Nach Gesetz ist es Aufgabe des Landkreises, festzulegen, welche der zuvor gemeinsam mit den Trägern erarbeiteten (voraussichtlich) förderfähigen Projekte für die endgültige Bescheidung durch das Land vorgeschlagen werden. Zur Abwägung dieser Entscheidungen wurde ein Steuerkreis bestehend aus den Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen, Landrat Andy Grabner, jeweils einem Vertreter der IHK Halle-Dessau und der Handwerkskammer Halle (Saale) und dem Mitglied im Revierausschuss Sachsen-Anhalt einberufen. Dem Gremium wurde außerdem ein in den betroffenen Landkreisen Sachsen-Anhalts einheitlich angewendeter Kriterienkatalog zur Einschätzung von Projektideen an die Hand gegeben. Gibt das Gremium das OK, unterstützt die EWG die Projektträger bei der Antragstellung, qualifiziert die Projektskizze und koordiniert den weiteren Prozess.

Ich persönlich passe mich jedenfalls bedarfsweise an die lokalen Strukturen an, was z. B. Mobilität angeht. Für die Zukunft bin ich optimistisch, dass der Strukturwandel Anhalt-Bitterfeld an moderne Wirtschafts- und Lebensformen heranführt und dass der Drahtseilakt zwischen Identität wahren und Veränderung, zwischen nachholender Modernisierung und Zukunftstechnologien gelingen wird.